P O S I T I O N S P A P I E R  Teil 1  Behandlungsmethoden

Mittel- und hochfrequente psychoanalytische Krankenbehandlung

Behandlungsziel, Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und ausreichendes Behandlungsausmaß von mittel- und hochfrequenten Verfahren als kassenunterstützte Krankenbehandlung im Rahmen des ASVG.(1)

Die Psychoanalyse und die aus ihr entwickelten psychoanalytischen/psychodynamischen Psychotherapieverfahren zielen neben der Behebung der aktuellen Krankheitssymptomatik auf eine Besserung der krankheitsauslösenden und -aufrechterhaltenden Störungen der Persönlichkeitsorganisation ab, welche insbesondere bei Persönlichkeitsstörungen und bei chronifizierten Krankheitsverläufen notwendig ist, um eine anhaltende Besserung der Symptomatik zu erreichen.

In den hoch- und mittelfrequenten psychoanalytischen Krankenbehandlungsverfahren werden die in der Früh-Entwicklung fixierten pathologischen Objektbeziehungsmuster und die komplexe strukturelle Pathologie in der therapeutischen Übertragungsbeziehung diagnostisch und therapeutisch zugänglich gemacht.

Erst die Frequenzdichte lässt eine Übertragungssituation entstehen, die es im Verein mit der gleichzeitig erzielten Haltefunktion des Settings erlaubt, dass quasi „in situ“ erkrankungsursächliche, unbewusste frühe Traumata, Konflikte und damit verbundene Abwehrmechanismen, welche zur pathologischen psychischen Struktur geführt haben, sichtbar und bewusst werden können – ein Vorgang, der in der hochfrequenten Psychoanalyse durch die liegende Position zusätzlich unterstützt wird.
Der solchermaßen erzielte Bewusstwerdungsprozess und ein mit den aktuellen reflexiven Möglichkeiten in der nötigen emotionalen Tiefe ermöglichtes Durcharbeiten führen zu einer nachhaltigen Verbesserung von Strukturniveau und Erkrankungsdisposition und dienen dem Zweck der Wiederherstellung der „Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen“ (ASVG § 133).

Vergleichbar mit komplexen Untersuchungs-, Operations- und Rekonstruktionsprozessen der Körpermedizin erfordert diese Zielsetzung die Voraussetzung eines gesicherten Behandlungsrahmens mit störungsangepasst ausreichender Behandlungsfrequenz und Behandlungsdauer.

Zusammenfassung der wesentlichen Parameter zur Indikationsstellung für mittel- und hochfrequente psychoanalytische Krankenbehandlung:

  1. Die Kriterien der Indikationsstellung umfassen die manifeste Symptomatik, das Strukturniveau und den Krankheitsverlauf, sie berücksichtigen außerdem den sozialen und organisatorischen Rahmen. Mittels einer in der Regel mehrere Stunden dauernden psychoanalytischen Untersuchung (=Strukturdiagnostik) wird zur Indikationsstellung neben der intrapsychischen Konfliktdynamik das strukturelle Störungsmuster, sein Ausmaß und seine Krankheitswirksamkeit erfasst.
  2. Zielsetzung der Behandlung ist eine über die Bewältigung des Aktualkonflikts und des krankheitsauslösenden intrapsychischen Konflikts hinausgehende nachhaltige Verbesserung des psychischen Strukturniveaus, soweit dieses krankheitsaufrechterhaltend wirksam ist.
  3. Dies kann nur durch Bearbeitung der unbewussten, konflikt- und abwehrdynamisch bedingten Ichfunktionsstörungen und internalisierten dysfunktionalen Objektbeziehungsmuster erreicht werden. Die dafür erforderliche Sitzungsdichte ist abhängig von den jeweiligen intrapsychischen Bedingungen im Einzelfall festzulegen.
  4. Eine erzielte Veränderung pathologischer Strukturanteile führt zu nachhaltiger Symptomverbesserung mit Rezidiv-Reduktion und ist dadurch langfristig kosteneffizient und wirtschaftlich. (2)

 

1
Die angeführten Verfahren entsprechen dem österreichischen ASVG und der zitierten Rechtsliteratur:
ASVG § 31(5)10 „Durch … Richtlinien (ökonomischer Grundsätze) darf der Zweck der Krankenbehandlung nicht gefährdet werden.“
ASVG § 133.(2) „Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf je- doch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürf- nisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden…“ ASVG § 134. (1) „Die Krankenbehandlung wird während der Versicherung für die Dauer der Krankheit ohne zeitliche Begrenzung gewährt …“
ASVG § 135. (1) „der ärztlichen Hilfe gleichgestellt: 3. eine psychotherapeutische Behandlung durch Personen, die gemäß § 11 des Psychotherapiegesetzes zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sind“

Peter Scholz (HVSVTr), Psychotherapeutische Krankenbehandlung, 1999: Zu § 133 Abs. 2 „zweckmäßig“: „Nur durch diese Therapie – nicht durch andere gleichwirksame kostengünstigere Behandlungs-Maßnahmen – kann das Behandlungsziel erreicht werden.“
OLG Wien f. Arbeits- u. Sozialrecht, 2007: “Krankenbehandlung ist zweckmäßig, wenn sie qualitativ geeignet ist, Gesundheit/Selbsthilfefähigkeit zu bessern … ist ausreichend, wenn qualitativ geeignete Maßnahmen intensiv genug angewendet werden, … Maß des Notwendigen … in der Methodenwahl (bei wirkungsgleichen die billigeren), die die Versichertengemeinschaft am wenigsten belastet. Wesentliche Bedeutung kommt der vom Arzt im Einvernehmen mit dem Pat. festgelegten Methode zu.“ (nur wirkungsgleiche billigere, nicht beliebige billigere)
ASG Wien 09/2008: “Bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Heilbehandlung § 133 Abs.2 ist darauf Bedacht zu nehmen, dass nicht nur ein Symptom, … sondern vielmehr die Ursache der behaupteten psychischen Erkrankung beseitigt werden soll… entspricht der herrschenden Ansicht, dass im Regelfall eine „ärztliche“ Behandlung des Grundleidens der reinen Symptombehandlung vorzuziehen ist…“

2
Eine von der Medizinischen Universität Wien vorliegende Auswertung (2014) von 13 Katamnese- studien, 9 quasi-experimentellen Studien und 4 randomisiert-kontrollierten Studien (insgesamt über 7000 Behandlungen erfassend) kommt zum Schluss, dass hochfrequente Psychoanalyse ein wirksames Psychotherapieverfahren ist, das bei einem Großteil der Patient_innen zu signifikanten und anhaltenden Verbesserungen des Gesundheitszustandes führt.
Belege aus randomisiert-kontrollierten Therapiestudien zeigen, dass die Psychoanalyse anderen Therapieverfahren bei längerer Therapiedauer (ab ca. 3 Jahren) signifikant überlegen ist und wei- sen insbesondere nach, dass die Effekte der Psychoanalyse (anders als in den Kontrollgruppen) auch nach Ende der Behandlung weiter zunehmen. Die nachhaltige Gesundung steht mit zwei Faktoren, der Hochfrequenz in Kombination mit der psychoanalytischen Technik, in Zusammenhang (Zimmermann, Löffler-Stastka, 2015).
Aus differenzierten Meta-Analysen der verfügbaren Kosten-Effektivitäts-Studien (de Maat et al., 2007 und 2013) geht hervor, dass Psychoanalyse zwar teurer ist als andere Psychotherapien, aber zu einer nachhaltigen Senkung der Gesundheitskosten führt. Diese Reduktion entsteht durch verminderte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und weniger Arbeitsunfähigkeitstage (Seitz et al., 2019). Die Analysen amortisieren sich nach ca. 3 Jahren.